„Auf circa 100 m² Land hat Chaltu verschiedene Gemüsesorten angebaut: Unter anderem Zwiebel, rote Rüben, Karotten und Mangold. Im Jahr 2016 konnte sie mit dem Verkauf von Gemüse 1.600 Birr (rd. 60 Euro) verdienen.“

So nüchtern liest sich zunächst der Bericht von Girma Woldemichael. Er ist in Ginde Beret und Abune Ginde Beret für die laufende Projektkontrolle und Evaluierung zuständig. Dabei ist er regelmäßig in den Dörfern unterwegs, um Daten zu sammeln, mit den Menschen zu sprechen und in Erfahrung zu bringen, was die Unterstützung von Menschen für Menschen in ihrem Leben bewirkt hat.

Im Fachjargon nennt sich dies „wirkungsorientiertes Monitoring“, bei dem nicht nur die nackten Zahlen festgehalten werden, sondern insbesondere die tatsächlichen Auswirkungen auf das Leben der Menschen und die Entwicklung der Region untersucht werden. Das geschieht freilich nach einem bestimmten Plan. Vorab festgelegte Indikatoren sollten es am Ende möglich machen, Erfolge messbar zu machen. Vereinfacht gesagt: Die Summe der Indikatoren zeigt, ob die geplante positive Wirkung erreicht wurde.

Schema einer Wirkungskette (Grafik)


Damals

Am einfachsten lässt sich das wirkungsorientierte Monitoring verstehen, wenn man auf Girmas Spuren wandelt und mitverfolgt, wie sich das Leben von Chaltu, ihrem Mann und ihren drei Kindern im Laufe weniger Jahre verändert hat: „Bevor die Familie mit Menschen für Menschen zusammengearbeitet hat, hatte sie keine Nutztiere. Jedes Familienmitglied hatte nur ein Kleidungsstück, das einmal im Jahr – in manchen Fällen nur alle zwei Jahre – erneuert wurde.“ Was für uns so selbstverständlich ist, fehlt in vielen äthiopischen Haushalten. Noch vor fünf Jahren waren in Chaltus Hütte Schlaf- und Wohnraum eins, wo sich die fünfköpfige Familie ein Bett teilte, zwei Sessel und ein Tisch machten den Hausrat aus, ein Telefon – und damit eine Verbindung zu wichtigen Informationen über Marktpreise oder Ähnlichem – besaßen sie nicht.

Vier Kilometer musste Chaltu früher täglich bis zu einer ungeschützten Quelle zurücklegen, um Wasser zu holen. Die Kinder litten unter Würmern und Durchfall, die Kosten für die Behandlung konnte sich Chaltu kaum leisten. Denn ihr Haushaltseinkommen betrug lediglich rund 2.800 Birr (ca. 105 Euro) im Jahr. Gut die Hälfte davon brauchte sie allein schon für Feuerholz, um auf der traditionellen offenen Feuerstelle Injera backen zu können. Die Sauerteigflade ist das Grundnahrungsmittel schlechthin in Äthiopien. Hin und wieder gab es Kartoffeln oder Bohnenpaste dazu. Für mehr reichte es nicht.

Heute

Obwohl ihr Hof nur sehr klein ist, hat Chaltu einen Garten angelegt und baut seither Gemüse an. Das verkauft sie nicht nur, sondern bereitet es für ihre Familie zu. Heute gibt es für Chaltus Kinder eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung und die Mahlzeiten werden auf einem geschlossenen, holzsparenden Ofen gekocht. Dadurch spart sich Chaltu wiederum knapp zwei Drittel der Kosten fürs Feuerholz.

Zusätzlich zum Verdienst aus dem Gemüseverkauf hat Chaltu mithilfe eines Kredits ein gut gehendes Geschäft aufgezogen: Neben der Aufzucht von Rindern verkauft sie noch Waren des täglichen Gebrauchs, wie Seife, Zündhölzer, Salz oder Zucker. Auch der Verdienst durch ihre Hühnerzucht kann sich sehen lassen: 1.000 Birr hat allein der Verkauf von Eiern in einem Jahr eingebracht. Das jährliche Haushaltseinkommen hat sich vervierfacht und liegt heute bei rund 12.000 Birr (ca. 450 Euro).

Die Wassersituation hat sich ebenfalls verbessert, seit Menschen für Menschen einen Brunnen rund 500 Meter von ihrem Haus entfernt errichtet hat. Auch in Chaltus Zuhause hat sich einiges verändert: Statt einem einzigen Raum gibt es jetzt drei Räume zum Wohnen, Schlafen und Essen, die Kinder haben ihr eigenes Bett und natürlich gibt es mittlerweile auch eine Latrine am Hof. Und um sich gewissenhaft um ihr Geschäft kümmern zu können, hat sich Chaltu ein Mobiltelefon zugelegt. So ist sie immer auf dem Laufenden, was die Marktpreise in den weit verstreuten Dörfern und Städtchen betrifft.

Diese Beispiele zeigen, anhand welcher Informationen Girma Woldemichael die Entwicklung einer Familie festhält und wie schnell sich das Leben der Menschen zum Besseren verändern kann. Doch wie kommt es dazu?

Dazwischen

Obwohl die Verbesserung in Chaltus Leben sehr beeindruckend ist, gab es auch Hindernisse. Ohne Land oder Nutzvieh hatte sie keinerlei Absicherung, um zum Beispiel auf dem herkömmlichen Weg am Kreditprogramm von Menschen für Menschen teilzunehmen. Denn in einer Kreditgruppe bürgen die Frauen füreinander und eine fehlende Absicherung ist ein zusätzliches Risiko für die anderen Gruppenmitglieder. Genau für diesen Fall wurde deshalb ein neuer Weg beschritten und Kreditgruppen für besonders benachteiligte Frauen ins Leben gerufen. Diese werden intensiver betreut und in ihren Geschäftsplänen verstärkt unterstützt.

Beobachten und lernen

Um diese neuen Wege jedoch beschreiten zu können, braucht es eine kontinuierliche Begleitung. Angefangen bei den Development Agents, die in den Dörfern wohnen und die Probleme der Menschen kennen, über diejenigen, die die unabhängigen Evaluierungen durchführen und die genauestens untersuchen, ob und wie bestimmte Ziele erreicht wurden. Und eben bis hin zu MitarbeiterInnen wie Girma Woldemichael, die für das wirkungsorientierte Monitoring zuständig sind, das sich mit den tatsächlichen Auswirkungen der Arbeit von Menschen für Menschen auf das Leben der Menschen in den Projektregionen beschäftigt: Chaltus Einkommen hat sich so verbessert, dass sie ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen kann. Diese sind seltener krank, fehlen nicht ständig in der Schule und können sich besser konzentrieren. Chaltu braucht weniger Feuerholz, das heißt, auch der Holzbestand wird geschont. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Umwelt aus und am Ende profitiert die gesamte Region davon. Monitoring bedeutet also eigentlich nichts anderes, als aus den vielen kleinen Schritten ein Gesamtbild der großen Wirkung zu zeichnen.

Weitere Informationen zu Evaluierungen finden Sie unter:

www.mfm.at/transparenz

Nachhaltigkeit: Eine leere Floskel?

Muhammed, Balla-Farmer, steht auf einem Weg (Foto)

Muhammed ist einer der erfolgreichen „Balla-Farmer“ in der abgeschlossenen Projektregion Derra. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er die bösen Geister des Balla-Tals vertrieben. Die ganze Geschichte gibt es hier: mfm.at/balla-farmer

„Wir sind gekommen, um wieder zu gehen“, ist ein Credo von Menschen für Menschen. Bereits zum zweiten Mal belegt nun eine Studie, dass die Organisation diesem Credo gemäß wird. Ende 2010 wurde die Arbeit im Projektgebiet Derra nach 13 Jahren abgeschlossen. Die Region sollte sich fortan eigenständig weiterentwickeln. Ob das auch so funktioniert, hat die Wirtschaftsuniversität Wien gemeinsam mit der Beratungsorganisation FAKT im Jahr 2016 untersucht. Mit dem Ergebnis: „Die Wirkung der Arbeit von Menschen für Menschen hält an.“ Im Detail zeigt die Untersuchung, dass die Maßnahmen dazu beigetragen haben, positive und anhaltende Entwicklungen anzustoßen, die fortbestehen und sich weiterentwickeln. Vor allem die Ernährungssituation, die Wasser- und Gesundheitsversorgung sowie die Schulbildung konnten nachhaltig verbessert werden. Mikrokredite haben das Einkommen und die soziale Stellung der Frauen gesteigert. Die Familien profitieren bis heute von besserer Ernährung, besseren Lebensbedingungen sowie einem leichteren Zugang zu Bildung und der Schaffung von Arbeitsplätzen.