Ein Spenden-Euro an Menschen für Menschen bringt einen gesamtgesellschaftlichen Wert von 26,60 Euro.

Die Frauen aus dem Washa Catchment und der Return on Investment

Eine Gruppe Frauen hat sich vor einer Lehmhütte in einem abgelegenen Talkessel, dem Washa Catchement in der Projektregion Ginde Beret, versammelt. Das Gebiet ist so abgelegen, dass hier bis in die Siebziger Jahre sogar eine Lepra Station betrieben wurde – als „land locked“ werden derartige Regionen bezeichnet, da sie keine Anbindung an eine öffentliche Infrastruktur haben.

Die versammelten Frauen diskutieren eifrig die Frage, was sich verändert hat, seit Menschen für Menschen in ihrer Region tätig ist. Ihre übereinstimmende Antwort ist: „Alles!“, begleitet von einem breiten Lächeln.

Die Frage wurde von zwei jungen Wissenschaftlerinnen der Wirtschaftsuniversität Wien, Olivia Rauscher und Ena Pervan, gestellt, die den weiten Weg von Österreich auf sich genommen haben, um herauszufinden welche Auswirkungen die von Menschen für Menschen in der Region getätigte Arbeit auf die dort lebenden Frauen hat. Wie haben die Frauen und in Folge auch ihr Umfeld von den durchgeführten Maßnahmen profitiert? Und welchen Wert besitzen diese Veränderungen, auch in monetärer Hinsicht? Eine derartige Analyse wird in Fachkreisen als SROI (=Social Return on Investment) Analyse bezeichnet, das Spezialgebiet der beiden Forscherinnen.

NGOs als Investmentbanker

Ausgegangen wird dabei vom „Return on Investment“ – der Kapitalrendite, wie sie als Entscheidungsgrundlage bei Wirtschaftsinvestitionen herangezogen wird. Diese betriebswirtschaftliche Kennzahl gibt das prozentuale Verhältnis von Gewinn zum eingesetzten Kapital an und wird auch bei der Bewertung von unterschiedlichen Investitionsalternativen angewandt. Je höher die Zahl, desto gewinnbringender die Investition. Die Antwort „Alles“ bezeichnet sozusagen den Gewinn in Form von positiven Auswirkungen auf alle Beteiligten, die das soziale Investment (=Engagement) einer Hilfsorganisation gebracht hat. Stellt man nun Gewinn und „Investitionen“ gegenüber, erhält man den „Social Return on Investment“: die soziale Kapitalrendite.

Für die beiden Forscherinnen tun sich sehr komplexe Fragestellungen auf. Welche konkreten Veränderungen gibt es und welchen monetären Wert haben diese. Um dies bewerten zu können werden die Frauen ganz gezielt nach den Veränderungen in den einzelnen Lebensbereichen gefragt. Wie ernährt ihr euch? Was kocht ihr heute im Vergleich zu früher? Wie sieht es mit dem Einkommen sowie dem sozialen Status aus?

Die Frauen diskutieren in Kleingruppen die einzelnen Fragen. In den Antworten zeigt sich ganz konkret was die Frauen nun anders machen als früher und was sie selbst als Veränderung empfinden. Tsehay Berassa erzählt, dass sich der soziale Status der Frauen stark verändert hat. Vor allem das Kreditprogramm habe viel bewirkt, da die Frauen jetzt auch mit einem kleinen Geschäft oder anderen Tätigkeiten etwas verdienen. Heute müssen sie nicht mehr ihre Männer fragen ob sie an einer Gemeindeversammlung teilnehmen dürfen. Sie werden nun auch gehört und ernst genommen. Etwas das ihr Leben enorm erleichtert habe, sei der holzsparende Ofen, merkt eine der Frauen an und die anderen nicken zustimmend. Da sie nun viel weniger Holz sammeln müssen, sparen sie unglaublich viel Zeit. All diese Faktoren müssen nun bewertet werden um zu einem Social Return On Investment zu kommen. Neben den Gruppendiskussionen werden aber auch zahlreiche Einzelgespräche mit Behördenvertretern, Ältestenräten und Nutznießern geführt um ein möglichst vollständiges Bild zu bekommen.

Das Ergebnis der „Social Return On Investment“-Analyse lesen Sie unter "Ergebnis".

Die Untersuchung der Wirtschaftsuniversität zum „Social Return On Investment“ zeigt, dass die gesellschaftliche Wirkung eines Spenden-Euros für Frauenprojekte von Menschen für Menschen einem Wert von 26,60 Euro entspricht.

Der „Social Return On Investment“ (Grafik)Der „Social Return On Investment“ (Grafik)

„Der Wert ist ausgesprochen hoch“, so die Studienleiterin des NPO & SE Kompetenzzentrums der Wirtschaftsuniversität Wien Olivia Rauscher. „Die Studie zeigt ganz deutlich, welch hohe positive Wirkungen durch das Frauenprogramm von Menschen für Menschen in dieser Region erzielt wurden. Nicht nur für die Frauen selbst, sondern für die gesamte Gesellschaft vor Ort.“ Doch wie kommt die Studie auf einen Wert von 26,60 Euro?

Monetarisierung der Arbeit

Die Quantifizierung und finanzielle Bewertung der Wirkung des Projekts erfolgte auf Basis qualitativer Erhebungen vor Ort, Einbeziehung von Daten von Menschen für Menschen sowie einer ausgedehnten Sekundärdatenrecherche. Ausgeklammert wurden bei der SROI-Analyse Wirkungen die unabhängig vom konkret untersuchten Frauenprojekt entstanden. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Wechselwirkungen aus anderen Bereichen des integrierten Ansatzes von Menschen für Menschen oder Maßnahmen seitens der äthiopischen Regierung.

Identifikation aller Stakeholder

Ein wesentlicher Punkt einer SROI-Analyse ist die Identifikation der wichtigsten Stakeholder, wie die teilnehmenden Frauen, Angehörige, Tagelöhnerinnen, Regionalbehörden etc. Für jede Gruppe werden die eingesetzten Mittel (Input) den erzielten Leistungen (Output) sowie deren Wirkungen (Outcome) gegenübergestellt. Dieser identifizierte Outcome wird verifiziert, quantifiziert und zum Schluss, soweit möglich und sinnvoll, in Geldeinheiten bewertet. Die Summe entspricht dann dem finanziellen Gesamtwert der erzielten gesellschaftlichen Wirkungen. Dieser Gesamtwert wird dem Projekt-Investment gegenübergestellt.

Insgesamt ergeben sich auf Basis der durchgeführten Erhebungen und Berechnungen für die Jahre 2011 bis 2013 Wirkungen die einem finanziellen Wert von 3,36 Mio. Euro entsprechen. Dem gegenüber stehen Investitionen in Höhe von rund 126.000 Euro. Oder vereinfacht ausgedrückt: Jeder Spenden-Euro der für das Frauenprojekt im Washa Catchment im Analysezeitraum 2011-2013 investiert wurde, hat eine gesamtgesellschaftliche Wirkung in Höhe von 26,60 Euro erbracht.

Essl social price (Logo)Essl social price (Logo)

Die Analyse des „Social Return On Investment“ erfolgte im Auftrag der Essl Foundation. Diese zeichnete im Jahr 2011 die Arbeit von Menschen für Menschen mit dem Essl Social Prize aus. Das Preisgeld in Höhe von 1 Million Euro wurde zur Umsetzung von integrierten Entwicklungsmaßnahmen im Washa Catchment eingesetzt, einer Teilregion des Projektgebiets Ginde Beret. Rund 10.000 Menschen profitieren im Washa Catchment von der Arbeit der Organisation. Die SROI-Analyse untersuchte nun speziell die im Bereich Frauenförderung gesetzten Maßnahmen in Hinblick auf ihre nachhaltige Wirkung.

Mehr Informationen zur Analyse unter:

Weiterlesen:

www.mfm.at/sroi

Kabenu Bekel ist dank des Frauenprogramms von Menschen für Menschen heute eine erfolgreiche Shop-Besitzerin. (Foto)

Kabenu Bekel ist dank des Frauenprogramms von Menschen für Menschen heute eine erfolgreiche Shop-Besitzerin.

Wie kommt man zum Social Return on Investment?

Olivia Rauscher (Foto)

Zur Person:

Olivia Rauscher vom Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien leitete die SROI- Studie im Washa Catchment. Wir haben der engagierten Forscherin einige Fragen zu dem noch jungen Feld der Social Return on Investment-Analyse gestellt:

Was sind die großen Herausforderungen bei der Durchführung derartiger Studien?

Herausfordernd ist meist, jene Wirkungen zu identifizieren, die tatsächlich aufgrund der Projektaktivitäten und nicht aufgrund anderer Einflüsse entstanden sind, um diese anschließend zu bewerten. Im konkreten Fall war es auch wichtig, einen spezifischen Bereich zu untersuchen und sich nicht in der Komplexität der vielen Projekte von Menschen für Menschen zu verlieren, die von Bildung über Gesundheit bis hin zu Landwirtschaft reichen. Wir haben uns schließlich auf das Entwicklungsprojekt für Frauen und die Frauenförderung konzentriert.

Wie kann man soziale Auswirkungen in Zahlen gießen?

Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Manche Wirkungen können wir sehr einfach in Geldeinheiten bewerten, bei anderen wird es schon sehr komplex. Die Verwendung eines holzsparenden Ofens anstatt einer offenen Feuerstelle hat zum Beispiel viele Auswirkungen. Die Feuerholzersparnis bewirkt zum einen ganz einfach eine Zeitersparnis. Dadurch können die Bewohner anderen Tätigkeiten nachgehen. Zum anderen belastet er aber auch die Gesundheit der Frauen deutlich weniger, da es zu einer geringeren Rauchentwicklung und weniger Verbrennungen kommt, als bei einem offenen Feuer. Die Tonplatten, auf denen das äthiopische Fladenbrot gebacken wird, halten auf den neuen Öfen ebenfalls länger. Somit hat jede Familie einen unmittelbaren finanziellen Vorteil.

All diese Auswirkung werden monetär, also in Geldeinheiten, bewertet und fließen in unsere Analyse mit ein. Schwieriger wird es zum Beispiel, wenn es um die Frage geht, wie viel die bessere soziale Stellung der Frauen oder mehr Mitspracherecht in der Gesellschaft wert sind. Es muss für jede einzelne Wirkung ein Indikator oder eine Art Hilfskonstrukt gefunden werden, um die Wirkung monetär ausdrücken zu können. Dadurch können schlussendlich alle Wirkungen addiert und den Investitionen in das Projekt gegenübergestellt werden.

Das Ergebnis der Analyse ist also eine Verhältniskennzahl, der sogenannte SROI-Wert. Dieser gibt an, wie hoch die gesellschaftlichen Wirkungen sind, die sich aus einem in das Projekt investierten Euro ergeben. Ein Wert von 1:10 würde beispielsweise bedeuten, dass ein in das Projekt investierter Euro gesellschaftliche Wirkungen im monetarisierten Gegenwert von 10 Euro ergibt. Salopp gesprochen ist der Nutzen, der aus dem Projekt entstanden ist, zehn Mal so hoch, wie die Investitionen in das Projekt.

SROI-Analysen sind ein relativ junges Feld. Werden diese künftig die Messlatte für soziale Projekte?

SROI-Studien können eine Hilfestellung sein, um den Wert der Arbeit einer NGO sichtbar zu machen und Investoren den gesellschaftlichen Return ihres sozialen Engagements zu zeigen. So wird offensichtlich, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen ein soziales Engagement hat. In Zeiten, in denen der Rechtfertigungsdruck auf Investoren steigt, ist es oft sehr hilfreich, die Veränderungen belegen zu können, die durch ihr Engagement erzielt wurden. Dennoch darf man die Ergebnisse aus unterschiedlichen SROI-Studien nicht einfach unreflektiert nebeneinander stellen. Es muss immer darauf geachtet werden, wie methodisch vorgegangen wurde und in welchem wirtschaftlichen und sozialen Kontext die Projekte umgesetzt wurden. So können z.B. SROI-Werte von Projekten in Osteuropa nicht einfach mit jenen von Projekten in Äthiopien verglichen werden.

Weitere Informationen:

npo.or.at – Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship

„SROI-Studien können eine Hilfestellung sein, um den Wert der Arbeit einer NGO sichtbar zu machen.“

Olivia Rauscher